Service Letzte Änderung: 13.09.2023 10:34 Uhr Lesezeit: 2 Minuten

Hochsensibel – feine Antennen für alles

Hochsensibilität – das Thema begegnet einem immer öfter. Volkshochschulen bieten Kurse an, Ratgeberbücher klären auf und vermehrt entstehen Selbsthilfegruppen.

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© A. Boßmanns

Auch Arno Boßmanns hat vor acht Jahren eine Selbsthilfegruppe zu Hochsensibilität mitgegründet und leitet sie bis heute. Er ist über einen Artikel in der Klever Lokalzeitung auf den Begriff gestoßen und dachte: „Oh, da trifft ja ganz vieles auf mich zu!“ Für ihn war das ein Schlüsselerlebnis. Zu erkennen, wie sehr sich Menschen in ihrer Sensibilität unterscheiden und wie vielfältig sie sein kann. Es erklärte, wieso er sich oft unverstanden fühlte, sich nicht gut konzentrieren kann und ihm manches schwerer fiel als anderen. Aber auch seinen Blick fürs Detail und die intensivere Wahrnehmung von Gefühlen und Dingen.

Niedrige Wahrnehmungsschwelle

Die kalifornische Psychologin Elaine Aron stellte das Konzept der Hochsensibilität 1997 vor. Demzufolge kennzeichnet hoch sensible Menschen (HSP - highly sensitive persons), dass sie äußere Reize besonders intensiv wahrnehmen und erleben. Etwa 15 – 20 Prozent der Menschen sind demnach mit einem ausnehmend feinen Gespür und tiefem Empfinden ausgestattet. Sie reagieren stark auf Umwelteinflüsse wie Lichter, Geräusche oder Gerüche und nehmen auch Stimmungen oder Berührungen durch einen kratzigen Pullover an der Haut eindringlich wahr. Da auf sehr feinfühlige Menschen bis zu dreimal mehr Außenreize und Informationen einströmen, müssen sie mehr filtern und selektieren und erreichen deshalb schneller eine Belastungsgrenze. Die meisten hochsensiblen Menschen sind eher introvertiert, es gibt aber auch die eher seltene aufgeschlossene, nach außen gerichtete Variante.

Hochsensibilität ist keine Erkrankung und keine offizielle Diagnose, sie gilt als sogenanntes Temperaments- oder Persönlichkeitsmerkmal. Anhand eines HSP-Fragebogens im Internet kann man erkennen, ob Anteile einer Hochsensibilität vorliegen.

Auszeiten als Ausgleich

Neben belastenden Seiten hat Hochsensibilität auch Vorteile, stellt Arno Boßmanns klar. Eine hohe Empathie und Intuition, das starke Ansprechen auf ästhetische Reize wie eine Blume bei einem Spaziergang, all das kann bereichernd sein. Nicht umsonst sind viele Künstler hochsensibel. Im Gegenzug führen das starke Hineinversetzen in andere, das Nachgrübeln über Begegnungen und Gespräche, die Überreizung und geringe Abgrenzung auch zu Verletzlichkeit.

„Die Sinnesorgane lassen sich nicht einfach ausblenden“, so Boßmanns. „Aus dem Grund ist es so wichtig, seine Grenzen zu kennen und regelmäßig Pausen einzulegen. Durch seine eigenen Kraftquellen, z.B. Musik, an der man Freude hat, kann man wieder auftanken.“

Das ist auch die Botschaft und das Ziel in der Selbsthilfegruppe: „Damit Körper und Seele von Hochsensiblen nicht krank werden, müssen sie ihre Ressourcen kennen. Unser Anliegen untereinander ist es, eine freundliche, bestimmte Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz zu erreichen und den Fokus auf die Talente der Mitglieder zu richten.

Hilfe bei der Lebensgestaltung

Dabei wird es auch durchaus emotional. Vielen, denen ihre hohe Sensitivität nicht bewusst war, hilft der Gruppenbesuch, sich selbst besser zu begreifen. Oft verbindet sie nämlich altersübergreifend das Gefühl, anders zu sein als die anderen. Das geht Kindern, die mit ihren Müttern in die Gruppe kommen, genauso wie Studierenden oder Senioren. Sie erleben sich oft als nicht so stark und extrovertiert, wie die Gesellschaft von ihnen zu erwarten scheint.

Bei den Treffen einmal im Monat in der Familienbildungsstätte Kleve können im vertrauensvollen Rahmen eigene Anliegen eingebracht werden. Die Resonanz ist positiv. Eine 80-jährige Teilnehmerin sagte einmal: „Ich habe mein Leben jetzt verstanden!“

In der Gruppe gibt es auch Schnittstellen zu ADS, ADHS, Asperger-Autismus oder dem Thema Hochbegabung. Arno Boßmanns hat viele Kontakte aufgebaut und kann im Bedarfsfall an andere Formate oder Beratungsstellen verweisen.

Und er hat noch viel vor: Als Nächstes ist eine Filmvorführung im Klever Tichelpark-Kino mit anschließender Diskussion geplant, das sich als Plattform angeboten hat. Am 26. November läuft dort der Dokumentarfilm „Vom Flügelschlag zum Wirbelsturm“ des Medienprojekts Wuppertal über Hochsensibilität. Zu einem späteren Zeitpunkt soll ein Trainer zu gewaltfreier Kommunikation zur Schulung der Gruppenteilnehmer eingeladen werden.

Neue Interessenten sind immer willkommen.

Kontakt über Selbsthilfe-Büro Kleve: www.selbsthilfe-kreiskleve.de