Service Letzte Änderung: 09.06.2023 13:52 Uhr Lesezeit: 3 Minuten

Aphasie-Chor Köln-Bonn – Singen trotz Sprachstörung

Die Sprache zu verlieren, sich nicht mehr mitteilen zu können – das ist eine furchteinflößende Vorstellung. Doch genau das passiert bei einer Aphasie.

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© ARZ Köln-Bonn e.V.

Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung durch eine Schädigung der linken Hirnhälfte. Ursachen sind zu 75 % Schlaganfälle, aber auch Tumore oder Kopfverletzungen durch Unfälle.
In Deutschland erkranken etwa 25.000 Menschen pro Jahr an einem teilweisen oder kompletten Verlust der Sprache. Die Betroffenen haben zusätzlich Einschränkungen beim Lesen, Schreiben und Verstehen.

Was aber geht, ist Singen.

Sprechen nicht, Singen ja

Nicht mehr sprechen können … aber singen? Wie passt das zusammen? Susanne Okreu, akademische Sprachtherapeutin und Gründerin (2003) sowie ehemalige Vorsitzende des Aphasie-Regionalzentrums Köln-Bonn e.V., erklärt, wieso Singen einfacher sein kann als Sprechen: „Bei Aphasie ist die linke Hirnhälfte geschädigt, dort sitzt das Sprachzentrum. Alles Rhythmische ist hingegen überwiegend in der rechten Hemisphäre gespeichert, sie ist beim Singen und Musizieren aktiv.“

Nach einem Musik-Workshop mit Mitgliedern der Aphasie-Selbsthilfegruppe Bonn hat Okreu 2010 einen Aphasiker-Chor mitgegründet. Er umfasste vor Corona rund 20 Männer und Frauen unterschiedlichen Alters. Einige von ihnen sprachen gar nicht, andere hatten „nur“ Wortfindungsstörungen oder sprachen unflüssig.

Wie genau singt man mit einer Gruppe von sprachgestörten Menschen? Susanne Okreu: „Man muss alles langsam machen, dann hat man gute Erfolge. Wir üben die Texte sprechend rhythmisch: Mein-Va-ter-war-ein-Wan-ders-mann … Einfach strukturiertes und vertrautes Liedmaterial bietet sich an. Das Entscheidende am erfolgreichen Singen sind der Rhythmus, die Vertrautheit und Floskelhaftigkeit der Liedtexte.“

Es geht um Automatisiertes. Das führt dazu, dass Betroffene z.B. nicht das Wort „Vater“ aussprechen, das Vaterunser hingegen vollständig beten können.

Musik als Therapie

Wenn das Singen etwas löst, was den Betroffenen im Alltag nicht möglich ist, wird es emotional. Die ehrenamtlich tätige Therapeutin Okreu ist immer wieder begeistert und berührt von den Erfolgen des Chorsingens „Viele Menschen mit Aphasie leben sehr zurückgezogen. Durch den Gesang entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Dies und die Freude am Singen motiviert sie und wirkt sich positiv auf die Krankheitsverarbeitung aus.“ Singen mobilisiert den Körper, wirkt aktivierend und beruhigend. Und es verbindet Menschen jenseits von Worten oder Verpflichtungen.

Nach einer langen Corona-Pause wird der Chor derzeit unter musikalisch-therapeutischer Leitung einer Logopädin wieder neu belebt. Interessenten – auch Angehörige dürfen mitsingen – können sich beim Aphasie-Regionalzentrum Köln-Bonn e.V. (ARZ) melden.

Auch wer wissen will, wie viel Therapie bei Aphasie sinnvoll ist, wie man an einen Rehabilitationsplatz kommt, wo man Menschen mit gleichen Problemen trifft, kann sich an das ARZ wenden. Es hält zahlreiche Informationen und Angebote für Interessenten bereit, neben dem Chor etwa eine Selbsthilfegruppe und Malkurse sowie Gesprächs- und Beratungsangebote.

Höreindrücke des Chors und alle weiteren Informationen unter: https://aphasieregionalzentrum.de/

Kontakt

Anke Petz

Stephanie Theiß

Leitung

Telefon +49 211 5970 8090
Fax +49 211 5970 8082
E-Mail kosa@kvno.de

Bianca Wolter